Der Draufgänger

LF16- TS auf Krupp

„Baum auf Hausdach“, hieß es in der Meldung. Nachdem wir die Einsatzstelle gefunden hatten, erkundete unser Gruppenführer die Lage: Ein Baum mit etwa 70cm Stammdurchmesser war umgestürzt und hatte als letzten Akt seines Daseins noch das Dach eines Bungalows etwas umgeräumt. Da ich mir irgendwie denken konnte, dass wir für den Baum wohl die Säge brauchen würden, zog ich mir im Löschfahrzeug schon mal die Schnittschutzhose an. Als ich dann die Säge aus dem Gerätefach nehmen wollte, war sie jedoch weg: Ein – sagen wir mal – ganz besonderer, euch bereits bekannter Kollege hatte sich schon beherzt das Gerät gegriffen und fuchtelte damit jetzt im Dunkeln wild in der Baumkrone rum. Ohne Schnittschutz. Oft ohne sicheren Stand. Mit offenem Visier. Da auch die Freiwilligen schon aufgeschlagen waren, trieben sich jetzt eine Menge Leute in seinem Arbeitsbereich rum, was unseren „Extremsäger“ allerdings kaum beeindrucken konnte: Mal sägte er einen Ast ab, der dann direkt neben einem Kollegen einschlug, mal drehte er sich so schnell und unbedacht um, dass er einem anderen die Kette fast in den Bauch rammte… kurz: Für mich war es trotz Forsthelm und Schutzhose Zeit, am anderen Ende des Baumes aufzuräumen, um nicht in Gefahr zu geraten. Die beiden anderen Sägeführer (der FF), die dort arbeiteten, waren nämlich erheblich vorsichtiger. Einige der Freiwilligen  mutmaßten schon, dass wir „BFler“ es im Sinne der Arbeitsteilung immer so handhaben würden, dass der eine die Schutzkleidung und der andere die Säge trägt. 😉

Sollte immer zusammen gehören: Kettensäge und Schutzkleidung

Nach wenigen Minuten brachte mir jedoch ein Kollege die Säge, die er unserem Draufgänger abgenommen hatte: „Mach mal weiter. Chef sagt, er hat kein Bock, die Unfallmeldung zu schreiben…“ So sägte ich denn weiter. Gott sei Dank, noch nichts passiert.

Nachdem die Krone weggeräumt war, musste der Stamm zerlegt werden. Bei einem 40er Kettenschwert und einem Stamm von etwa 70cm Durchmesser heißt das, dass man z.B. erst die eine Seite so tief einsägt, wie das Schwert hineinreicht, um dann das angesägte Stück von der anderen Seite aus abzuschneiden. Das klappte bei mir auch drei Mal ganz erfolgreich, aber dann hingen mir die Arme bis zu den Versen hinab und ich hatte den Eindruck, die Säge nicht mehr sicher führen zu können. Der Kollege, der dann übernahm (übrigens mit Schutzkleidung! 😉 ) hatte dann allerdings das Pech, dass das nächste Stück Stamm halb auf einem Zaun lag und er sich nicht richtig zum Schneiden positionieren konnte. So geriet sein Schnitt etwas schief und deckte sich nicht mit dem Gegenschnitt: Das Stammstück brach nicht ab.

Ursache für eine "stumpfe Kette"? 😉

Die Kette mittlerweile fast stumpf, hobelte er jetzt verzweifelt am Stamm herum. Während natürlich alle Kameraden die besten Tipps hatten und der Fichtenmoped- Führer sich alle Mühe mit Korrekturschnitten gab, hatte „unser Freund“ eine ganz besondere Idee. „Den muss man von oben absägen!“ , rief er, und machte sich auf den Weg: Er wollte tatsächlich auf den ungesicherten Stamm klettern, um dann darauf balancierend die Kettensäge von oben in den Stamm zu stechen. Ohne Halt, ohne Schutzkleidung, und ohne zu wissen, was der Reststamm macht, auf dem er dann stand, wenn vorne das 150kg- Stück wirklich abbricht! Einige Feuerwehrmänner schüttelten den Kopf, andere riefen ihm halbherzig zu, er solle den Quatsch lieber lassen, aber „Germany’s next Firehero“ ließ sich nicht beirren. „Das gehe ich sagen!“, dachte ich mir.  😉

Doch wieder Glück gehabt: Gerade, als ich beim Vorgesetzten petzen wollte, in der Hoffnung, dass unser Aktionist sich von ihm zurückpfeifen lässt, schaffte es der Korrektursäger doch noch, das Stück abzutrennen. Zum zweiten Mal nochmal alle davongekommen…

Doch manche Menschen geben ja nicht auf, bis sie etwas geschafft haben. Oder besser: Etwas „geschafft“ haben. Seine Gelegenheit, doch noch für eine Pointe zu sorgen, ergriff der Kollege dann, als  am Ende noch der verbogene Metallzaun, der unter der Last des Baumes weggeschwächelt war, abgeschnitten werden musste. Mit dem Trennschleifer, den er sich sofort aus dem Löschfahrzeug rupfte. So stand er im Halbdunkel mit der elektrischen Flex auf dem liegenden Zaun und fing an, ihn in Bodennähe abzuschneiden, während die Anwohner sich schon das Brennholz aufteilten. Die hatten sogar einen Hubwagen im Einsatz!

Wenige Schnitte später unterbrach er jedoch seine Arbeit, klappte das Visier hoch und sagte zum Wachführer: „Wenn ich in das Visier reinatme, beschlägt das, und ich sehe nichts mehr. Halt mal bitte.“ – Und übergab ihm auch noch seine Brille, um dann ohne Visier weiterarbeiten zu können! Sein Gedanke: Visier beschlägt – also hochklappen. Funken fliegen ins Gesicht – Brille wird beschädigt. Daher: Brille abgeben und Augen zu. Also, viel bescheuerter kann man doch kaum noch denken…

Der Wachführer war ob dieser Kausalkette total perplex und fragte nur irritiert: „Und du fühlst jetzt, wo der Zaun ist, oder wie?“ Doch da verschluckte das Kreischen des Trennschleifers schon wieder jeden weiteren Kommentar. Doch das Ende nahte: Aus etwa 3m Entfernung, wo ich mich gerade mit einem Freiwilligen über dieses Blog unterhielt, sah ich etwas: „Ääh… hängt da nicht das Kabel der Flex im Weg?“ – „Nö, ich glaube, das ist ein Ast…“ Als es dann einen Moment später still um Captain Heroe’s Arbeitsgerät wurde, wussten wir beide, dass es wohl doch das Kabel war. Und der Rest des Drahtzaunes wurde dann mit dem Bolzenschneider abgetrennt. 😀

Später auf der Wache bekam der weltbeste Flexer dann noch den Hinweis vom Wachführer: „Guck mal, da in dem Fach, wo der Trennschleifer liegt, da ist auch eine Schutzbrille.“ – „Ja, weiß ich. Aber die ist für Brillenträger Scheiße.“  Nur: mit der Schutzbrille als Ersatz für seine optische hätte er vielleicht noch eine Chance gehabt, zumindest ein wenig zu sehen. Denn dass er ganz ohne jegliche Brille und mit zugekniffenen Augen auch nicht mehr sieht, beweist jetzt ja wohl das zerpflückte Kabel an der Flex…

Über firefox05c

Firefighter, Kittyowner, Bagpipeplayer. Querulant. Manchmal bissig, aber im Großen und Ganzen handzahm. Die Themen hier: Feuerwehr - Rettungsdienst - Alltag .
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14 Antworten zu Der Draufgänger

  1. Tommy schreibt:

    Ohh man liest sich ja echt nett mit dem Kollegen! Wäre ja sofort mein Freund 😉 Leider gibt es keine Mittel gegen solche Leute 😦

    LG Tommy

  2. notizbuchfragmente schreibt:

    Oh wtf … Darf er die Flex denn wenigstens bezahlen? BÜÜÜÜÜÜÜÜÜÜTTEEEEE ….

  3. Oli schreibt:

    Wer solche beratungsresistente und von sich überzeugte Kollegen hat, braucht echt keine Feinde mehr!

    Wenn der nicht merkt, dass er sich und andere gefährdet, hat er ja eigentlich im Einsatzfahrzeug nichts mehr zu suchen.

    Unfallfreie Zeit!

  4. Jerowski schreibt:

    Tja… Was soll man da sagen? Früher gabs für solche Leute noch „Das Schild“ ;-P

  5. ich schreibt:

    das die den auf die Welt loslassen……
    Mich wundert es, das der Kollege nicht schon bereits aus dem Verkehr gezogen wurde…..

    Super geschrieben Dein blog.

    • firefox05c schreibt:

      Tja, das ist leider das Problem beim Beamtentum: hast du dir so eine Graupe erst einmal eingefangen, wirst du sie nicht mehr so schnell los.
      In der freien Wirtschaft hätte so ein Kollege mit so einer Einstellung keine Chance.

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