Es war bereits kurz vor Mitternacht. Draußen war das Wetter herbstlich-naßkalt mit Schauern. Ich stand in der Küche der Wache und überlegte, ob es noch Zeit sei, den letzten Joghurt wegzusnacken, oder mit Hinsicht auf meine Hosenweite das Rufen des Mokereiproduktes im Kühlschrank zu ignorieren und sich etwas hinzulegen. Während ich noch im Entscheidungsfindungsprozess war, klingelte mein DME mit einem Alarm fürs Löschfahrzeug, auf dem ich heute als Maschinist eingeteilt war: „Amtshilfe Polizei, Hundeführer freischleppen“ wurde von uns verlangt. Zielort war eine kleine Straße, die quer durch einen Wald führte, und nachdem unser Gruppenführer sich in der Leitstelle weiter informiert hatte, bekamen wir eine ungefähre Ortsangabe.
Unser Einheitsvorsteher briefte uns: „Ein Hundeführer der Polizei hat sich wohl festgefahren und bräuchte nun etwas Hilfe. Wir schauen uns das mal an.“ Ob eine spannende Geschichte dahintersteckte? So richtig mit Verfolgung von Verdächtigen, Materialeinsatz bis an die Grenzen? Ein Polizeihund, der noch zufrieden am gestellten Täter kaute? Nun, wir würden es bald erfahren.
Nachdem die Mannschaft sich am Dienstfahrzeug eingefunden hatte, startete ich den Motor und wir machten uns auf einen nächtlichen Waldausflug, um die genaue Einsatzstelle zu suchen. Nachdem wir schon einen falschen Forstweg erkundet hatten und die Karre nun aussah wie Sau, führte uns die Suche an die richtige Zufahrt. Ein Streifenwagen stand am Waldrand, und der Beamte aus dessen Inventar wies uns ein: „Schön, dass ihr da seid!“ Großzügig wedelte er mit dem Arm in den Wald hinein: „Fahrt mal da runter, irgendwo stehen dann noch weitere Kollegen rum. Der Hundeführer wollte wohl das Auto neben dem Weg abstellen und kommt nun nicht mehr raus. Und auch wir bekommen das Auto nicht frei“, teilte uns das staatliche Bestreifungsorgan mit. Es ging also tiefer in den Forst. Der Weg war kaum breiter als das Dienstfahrzeug.
Es gab keine Straßenbeleuchtung, der Weg führte im Grunde nur zur nächsten Verbindungsstraße, und wir fragten uns, was den Hundeführer wohl so tief in den Großgrünbewuchs geführt hatte. Wir witzelten: Ob der Bello-Boss alleine unterwegs war? Oder in lieber Begleitung? Oder sich eine heimliche Pause verschaffen wollte? In dieser absoluten Dunkelheit schien uns ein Spaziergang mit dem vierbeinigen Staatsdiener jedenfalls zweifelhaft. Und wenn Herrchen mal austreten wollte, hätte er nicht so tief in den Wald fahren müssen.
Einen halben Kilometer weiter durch den Wald kamen wir mit dem 14-Tonner endlich an den Ort des Geschehens. Ein ziviler Mercedes Vito saß neben dem Weg, und ein Stück weiter standen zwei Streifenwagen hintereinander auf der schmalen Straße. Fünf oder sechs uniformierte Beamte warteten im Scheinwerferlicht auf uns. Zwischen ihnen der Hundeführer in Zivil, der seinen Vito nun im feucht- morastigen Waldboden festgewühlt hatte. Schuldbewusstes Grinsen bedeckte sein Gesicht. „Ich, äh, bin hier neben den Weg gefahren, weil ich dachte, unter dem Laub sei die Fläche geschottert. War wohl nix…“, erzählte er unserem Chef. Tatsächlich konnte man die ebene, halbrunde Ausbuchtung neben der Straße für eine Ausweich- oder Parkfläche halten. War aber wohl doch nur eine unbefestigte Ablagestelle für Langholz. Pech, das kann passieren.
Unser Bestimmer fragte das Naheliegende: „Habt ihr auch mal versucht, das Auto mit einem der Streifenwagen rauszuziehen?“ Die Antwort eines Polizisten verdutzte uns: „Hätten wir gerne. Aber wir haben keine Abschleppösen an den Streifenwagen.“ Wir schauten uns irritiert an. Es fehlte also nicht an einem Seil, sondern sogar eine Öse? Wie jetzt? Hat Ford eine eigene Serie für Behörden aufgelegt, in der keine Abschleppösen vorgesehen sind? Oder ist der Schichtleiter jemand, der die üblichen Einschraubösen eingesammelt hat und nur auf Antrag rausgibt? („Abschleppvorgänge sind 2 Wochen im Vorhinein unter Verwendung des Vordruckes anzukündigen und bedürfen der Genehmigung durch den Vorgesetzten…“) Oder war es schlicht eine Ausrede, weil sich niemand schmutzig machen wollte?
Nun gut, wir waren jetzt hier und wollten nicht diskutieren, sondern helfen. Es war mittlerweile schon Mitternacht.
Zur Beladung unseres rollenden Werkzeugkastens gehört eine Schwerlastschlinge und zwei kräftige Schäkel. Das sollte reichen, um den Karren aus den Dreck zu ziehen. Der Plan: Die Schlinge einfach am Auto und am Zugmaul vom Löschfahrzeug befestigen und das notleidende Gefährt mit der Überlegenheit der unbändigen Kraft rückwärts auf den Weg zerren. Das Problem lag nun aber in der Größe unserer Ausrüstung: Die Schlinge ließ sich nicht durch die Abschleppöse des Vito ziehen. Und der Schäkel würde bei dessen Verwendung aufgrund des Zugwinkels mit dem Löschfahrzeug (schräg nach oben) in die Verkleidung des Stoßfängers gedrückt und ihn beschädigen. „Hmm… Unnu? – Hat jemand eine einfache Bandschlinge in der Tasche?“, schlug unser Gruppenführer vor. „Die aus dem Personen- Sicherungsgedöhns will ich dafür nicht nehmen.“ Im „Gerätesatz Absturzsicherung“ befanden sich zwar etliche dieser Schlingen aus dem Kletterbereich, aber die sollen unter Umständen unser Leben retten, und nicht für irgendwelche Arbeiten im Dreck benutzt werden, wodurch sie vielleicht Beschädigungen erleiden würden. Ich zog also meine eigene Schlinge aus der Tasche: „Habe ich. Ich weiß aber nicht, ob die Naht daran wirklich hält. Ich habe den Gurt eingekürzt und ihn selbst wieder vernäht“, gab ich zu bedenken. „Ach, dann nehmen wir ihn einfach doppelt. Wird schon halten!“ Im Fabrikzustand halten diese Bandschlingen über 2 Tonnen im geraden Zug. Was meine Selfmade- Naht trägt, weiß natürlich keiner. Der Chef tüdelte nun den Schlupp als „Ösenverlängerung“ doppelt durch die Abschleppöse des Vito, so dass er an dessen Ende so viel Abstand von der Stoßstange hatte, dass er problemlos die Lastschlinge mit dem großen Schäkel einhängen konnte. Das andere Ende ins Zugmaul des Löschbombers gehängt, und das herausziehen des „Bolfo-Mobils“ bis auf die Straße war nur noch Formsache. Das funktionierte fast im Standgas! Eine Bandschlinge in der Tasche zu haben ist eben immer wieder nützlich.
Doof an der ganzen Sache war nach dem aufräumen, dass ich nun den LKW den ganzen Weg, also etwa 500 Meter, rückwärts durch den schwarzen Wald schieben musste, um wieder auf die Hauptstraße zu kommen, denn eine Wendemöglichkeit gab es nicht. Und zwei Kollegen mussten den ganzen Weg hinter dem Auto laufen, um aufzupassen, dass ich nicht selbst vom Weg abkam. Glücklicherweise hatte der Weg nicht so viele Kurven, so dass wir irgendwann sicher den Wald verlassen konnten. Nun ja, und am nächsten Morgen war Auto waschen angesagt.
Was der Hundeführer aber so spät mitten im Wald gemacht hatte, hat er keinem von uns verraten.
Vielleicht hat sich der Hundeführer noch bei Tageslicht festgefahren. Dann kamen nacheinander die Streifenwagen. Erst eins, dann zwei, dann drei, dann ihr. Das dauert und mittlerweile ist unser Beleuchtungsstern hinter dem Horizont versunken.
Keine Rückfahrkamera mit Restlichtverstärker am 14-Tonner?
Unseren Rettungswagen hat die Feuerwehr auch einmal von einem Weg hinter einem Haus gezogen. Einsatzanlass war ein typischer Heiligabend-Küchenunfall – Fonduefettverbrühung. An der Stelle wo unser RTW hing, hatte der Vater des Patienten kurz vorher seinen PKW festgefahren. Leider war die Schwachstelle zwischenzeitlich vom Schnee getarnt.
Das Tageslicht war zu dem Zeitpunkt, als wir gerufen wurden, seit 6-7 Stunden weg. Würde mich sehr wundern. 😉
Die Feuerwehr, dein Freund und Helfer. 🙂 Aber hätten die Beamten nicht einfach eine Hundeleine ans Auto binden können und der Hund zieht dann den Wagen aus dem Dreck? Nur so eine Idee… 🙂
Auf jeden Fall ein erfreulicherer Einsatz (wenn auch zu ungünstiger Stunde) als der letzte Blogpost (häusliche Gewalt).