Unterricht nach Drehbuch

Vorweg: Dieser Artikel ist sehr Feuerwehr- Insider- lastig. 😉

Alle Jahre wieder machen wir eine Fortbildung zum Thema „Kleinwagen goes modernes Kustwerk“: Mit allem, was die Technik so hergibt, wird ein Schrottauto zerlegt und verformt, so dass man anschließend nicht mehr genau weiß, ob es sich bei dem Objekt einmal um einen Container oder ein Kleinflugzeug gehandelt hat. Für gewöhnlich läuft diese Veranstaltung so ab, dass der Ausbilder mit uns vor dem nächsten Arbeitsschritt am Fahrzeugwrack verschiedene Möglichkeiten durchspricht, um uns dann eine Methode durchführen zu lassen, von der er meint, dass wir sie noch nicht so häufig gemacht haben.

So begann der Unterricht auch dieses Mal damit, dass wir uns um ein Auto versammelt hatten und der Ausbilder die Parole ausgab: „Wir wollen mal hauptsächlichst mit den Geräten üben, die ihr auch auf eurem Löschfahrzeug habt. Also holt von unserem Rüstwagen bitte einmal das Zeug zum Glasmanagement, Hydraulikaggregat, Schere, Spreizer, Pedalschneider und den Freischneider.“ – Die letzten beiden Geräte hätten mich eigentlich schon Stutzig werden lassen müssen, denn Pedalschneider und ein Gerät namens „Freischneider“ hatten wir nicht auf dem LF. Das letztere kannte ich nicht einmal! (Es handelte sich um das „C100- 31“ – Sonderschneidgerät von Weber.)

Wir legten also alles auf einen Haufen neben dem zu traktierenden Auto und begannen den Unterricht wie immer: Der Ausbilder sagte, was wir als nächstes kaputt machen dürfen, wir gaben Vorschläge, wie man das machen könnte. Oder besser: Hauptsächlichst ich, da die anderen Kollegen noch etwas lustlos waren. Dachte ich zumindest. Aber anscheinend kannten sie den „Ausbilder“ besser als ich.

Nach dem Quetschen des Kotflügels und dem Herausnehmen der Fahrertür nach 08/15  gab uns der Vorbeter  den Tipp, den Türgriff zum Offenstellen mit einem Gummiball zu hinterfüttern. Ganz toller Tipp, gebe ich ja zu. Aber auf meine Nachfrage, ob denn solche Bälle auch auf dem Rüstwagen zu finden seien, weil wir sie auf unserem LF nicht hätten, erntete ich die Antwort: „Nein, ich habe privat welche in der Tasche.“ Na, da haben wir ja auch alle etwas davon. Gehört schließlich zur persönlichen Schutzausrüstung, darum kann man im Unterricht so pauschal davon ausgehen, dass sie zur Verfügung stehen: Helm, Handschuhe, Gummibälle… Als mir dann herausrutschte, dass es dann doch sinnvoll sei, sie auf dem RW zu deponieren, war der Grundstein für unsere Beziehung gelegt. Von da an war ich scheinbar der Klugscheißer, und es wurde fast jeder meiner Vorschläge, wie wir sonst immer arbeiten (nämlich mit Schere und Spreizer, weil sich die schließlich auf unserem Fahrzeug befinden), a) ignoriert oder   b) mit einem kurzen Nicken nur zur Kenntnis genommen (gefolgt von a). Na, vielleicht tat auch noch meine Äußerung, dass Kritiker nach anderen Möglichkeiten beim Glasmanagement suchen, als das zeitraubende Verkleben mit Paketklebeband sein Übriges (Stichwort: Goldene Stunde). Wobei wir auf dem Rüstwagen ja schon Alternativen hätten, um den Eingeklemmten vor Splittern zu schützen: Ein Polizei- Schutzschild und verschiedene Schilde aus 5mm dickem, durchsichtigen Kunststoff, zum Beispiel.

Sonderschneidgerät von Weber, vom Vorbeter "Freischneider" genannt

Sonderschneidgerät von Weber, vom Vorbeter „Freischneider“ genannt

Nun sollte nach dem Entfernen der Tür die B-Säule oben und unten durchtrennt und ein Schnitt von oben in die hintere  Fensteröffnung, kurz vor der C- Säule, gesetzt werden, um einen Zugang zur hinteren Sitzbank freizulegen. Wie gesagt: Meine Vorschläge zum Standardvorgehen mit den auf dem LF vorrätigen Werkzeugen (die wir laut Eingangsbesprechung ja hauptsächlichst benutzen sollten!) wurden ignoriert. Statt dessen wurden die Schnitte nicht mit der Schere, sondern mit dem Sonderschneidgerät durchgeführt, was auch sehr gut klappte. Schließlich sollte der so geschwächte Winkel zwischen B-Säule und hinteren Radkasten herausgebogen werden. Da es doppelwandiges Blech ist, schlug ich (immer noch nicht klug geworden) vor, man könne den Bereich mit dem Spreizer  von der unteren Fensterkante aus fassen und zusammenquetschen (für Mathematiker: der Spreizer wird neben dem rechten Winkel des Dreiecks in Richtung zur Hypotenuse angesetzt  😉 ) und ihn dann einfach herausbiegen. Klappte bisher immer recht gut.

Das brachte aber das Fass, oder besser, den Vorbeter, zum Platzen: Ich solle aufhören, zu diskutieren. Hier hätte nur der Einsatzleiter (???) das Sagen, und das sei hier unser Wachführer. Zudem solle ich nicht immer darauf herumreiten, was früher gemacht wurde, sondern erst mal zuhören, was man noch anders machen könne, bevor ich auf was bestimmtes beharre(!).

Das besagte Dreieck an der hinteren Karosserie wurde dann von hinten mit dem Pedalschneider geschwächt, so dass es sich natürlich genauso gut nach außen klappen ließ.

Okay. Für mich war die Übung gelaufen. Schmollend stellte ich mich während dem Rest der Veranstaltung nach hinten, räumte später still mit auf und hielt mich sonst geschlossen.

Ich habe nichts gegen neue Methoden oder alternative Möglichkeiten. Völlig demotiviert wurde ich jedoch von der Tatsache, dass vorher gesagt wurde, dass

a) hauptsächlichst die auf unserem Fahrzeug verlasteten Geräte benutzt werden sollten und wir

zweitens vor jedem weiteren Arbeitsschritt gefragt wurden, wie wir denn jetzt vorgehen würden,

der Ausbilder sich dann aber über alles hinwegsetzte und jeden Vorschlag, der nicht in sein Konzept passte, als Störung wahrnahm. Mich sogar für meine „ständige Diskutiererei“ vor der versammelten Mannschaft abwatschte. Wenn er uns seine neue Liebe, das Sonderschneidgerät und den Pedalschneider, nahebringen möchte, kann er das vorher sagen (z.B. „Ich möchte euch mal ein paar Alternativen vorstellen…“), und ich hätte mir nicht so den Hintern aufgerissen, mich einzubringen. Dann wäre ich im Gegenteil offen und bereit dazu gewesen, neues zu lernen. Immerhin bin ich vom Sonderschneidgerät wirklich angetan.

Vielleicht wäre es besser gewesen, er hätte uns im Lehrsaal einfach einen Film zu den Möglichkeiten der Geräte gezeigt. Dann wäre ich nie auf die Idee gekommen, dem Fernseher andere Methoden vorzuschlagen, da mir klar gewesen wäre, dass ich das Drehbuch nicht mehr ändern kann…

Über firefox05c

Firefighter, Kittyowner, Bagpipeplayer. Querulant. Manchmal bissig, aber im Großen und Ganzen handzahm. Die Themen hier: Feuerwehr - Rettungsdienst - Alltag .
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15 Antworten zu Unterricht nach Drehbuch

  1. Roadrunner schreibt:

    Schmunzel……
    Ich glaub ich weiß wer der „Über“ Ausbilder ist.Das gleiche hat er bei uns auch abgezogen.Wir haben die „Weiterbildung“ bei ihm gehabt,als der neue RW in Dienst gestellt wurde.Doof war nur das wir ihm dann mal gezeigt haben was es noch für Alternativen gibt.😁Danach hat er wenigstens nicht mehr so große Töne gespuckt.
    Ich frage mich manchmal,wie solche Leute Ausbilder werden können.
    Aber bei unserer Feuerwehr ist alles möglich…

    • firefox05c schreibt:

      Hallo! Schön, dass du hergefunden hast. Mach aber in „unseren“ Kreisen nicht ganz so viel Reklame für das Blog, damit ich noch recht lange hier schreiben kann! 😉

      • Roadrunner schreibt:

        Natürlich nicht….sonst hab ich ja nichts mehr zum Lachen.
        Erstmal ein dickes Lob für deinen Blog.Ich find mich manchmal als HP auf dem Boden wieder….vor Lachen… Mach weiter so
        Die Blogadresse wird nur an Ausgewählte Vertrauenswürdige „Kameraden“ weitergegeben.Nicht das sowas wie in Düsseldorf passiert…

        Mach weiter so

        Gruß Tim

    • Wolfram schreibt:

      Bei „uns“ ist es mehr als einmal so gewesen, daß Leute, die in der praktischen Arbeit voll und ganz durchgefallen sind, Ausbildungsreferent wurden…
      da gibts doch so ein Theorem, wonach man immer dahin befördert wird, wo man ganz und gar unfähig und überfordert ist.

  2. Conny schreibt:

    Jetzt mal „kluggeschissen“ als FW-Laie: … Und all die gezeigten Alternativen beherrscht ihr nach ein paar wenigen Stunden jetzt auch aus’m Eff-Eff… richtig?! 😉

    Vor allem, weil ihr das Werkzeug ja auch gar nicht zur Verfügung habt, klingt das nicht so gelungen.

    Hm, an sich soll ja eine Fortbildung auch dazu dienen, das Wissen zu erweitern. Aber so, wie du es beschreibst, hört sich das eher suboptimal gelöst an. Didaktisches Geschick ist leider nicht jedem in die Wiege gelegt. Und leider sind strebsame Menschen meist nicht sehr beliebt, LEIDER!!!

    Auf welche Weise auch immer- Hauptsache, ihr kriegt das Unfallopfer aus der Karre raus.

    Lass dich nicht ärgern 😉

    Conny

    • firefox05c schreibt:

      Das Können der verschiedenen Möglichkeiten ist nicht unbedingt das Problem: Die Werkzeuge sind nicht kompliziert. Man muss nur im passenden Moment an die passende Taktik denken. Dazu werden immer wieder mal Unterrichte und Übungen gemacht: Um diese Tricks und Kniffe „ins Gedächnis zu pflanzen“. Sogar als reiner Vortrag also durchaus mal sinnvoll.
      Was mich hier richtig geärgert hatte war der Umstand, das gefragt wurde, obwohl man keine Antwort wollte. Der Dozent sollte sich vorher entscheiden, ob er einen Vortrag machen möchte, oder die Gruppe etwas erarbeiten lassen will. Bei der zweiten Methode sollte er aber nicht voraussetzen, dass man bei der Vielzahl von Möglichkeiten zwingend auf „seinen goldenen Weg“ kommt.

      • Conny schreibt:

        Ah, ok – ich dachte, dass das nötige Equipment gar nicht auf eurem Einsatzfahrzeug vorhanden ist (und deshalb eigentlich „unsinnig“, daran beschult zu werden).
        Aber ok, hab ich verstanden, was du meinst.

        Und zu dem Rest: Word!! 😉

    • Kenner des Reisbärn schreibt:

      Die meisten Geräte haben 2 Knöpfe oder einen Ring zum Drehen, sind also nicht so kompliziert. Wer ein paar mal mit Scherenwerkzeugen und Spreitzern gearbeitet hat, weis bei der Benutzung eigentlich was ihn erwartet, also wie sich die Schere eventuell weg drehen könnte. Das schwierige an einer technischen Hilfeleistung ist das es tausende Fahrzeuge gibt die auf tausend Wege ihre Ursprungsform verändert haben.

      Ziel einer solchen Übung ist also möglichst viele Wege zu kennen, inklusive Vor und Nachteile. Bei Übungen hat man Zeit und die Ruhe das zu Diskutieren, von allen Seiten anzuschauen. Wenn das ganze auch noch auf Kreisebene durchgeführt wird, hat jeder auch noch andere Erfahrungen gemacht. In ländlichen Regionen gibt es eher Baum-VU. In Städten eher was mit Kreuzungen. Und auf Autobahnen maximal deformierte Fahrzeuge.
      Während bei Übungen 10 Leute zuschauen, sind im Einsatzfall zum Zeitpunkt der Strategiefestlegung nur 1-3 Leute am überlegen. Der Rest macht Absicherung (Verkehr), Erstversorgung, Einsatzstellenbeleuchtung und Absperrung (Schaulustige vom Arbeitsbereich fernhalten). Später hat man bei 4 Insassen insgesamt 8 oder noch mehr Rettungsdienstler um das Fahrzeug stehen(die auch alle Ihren Job machen), was die Lage auch nicht einfacher macht.

  3. Micha I schreibt:

    was sagt Dein Chef zu dem Vogel? Ich mein, erst heißt es, das mit dem gearbeitet wird was auf dem Fahrzeug ist und dann kommt der mit „was-weis-ich-nicht-was“ daher. Klar, nen Tennisball hat ja auch jeder FWler in der Tasche…. Also wenn ich unsern Stadtbrandmeister frage ob seine Leute so was in der Hosentasche haben, wird der eher meinen Chef fragen ob ich gegen eine Wand gelaufen bin……

    • firefox05c schreibt:

      Er hat ja nicht gesagt, dass jeder so einen Ball in der Tasche haben sollte. Aber er hat diese Möglichkeit so selbstverständlich erzählt, als müsste jeder wissen, was man mit einem Ball machen könnte, der zufällig an der Unfallstelle vorbeitrullert… kommt ja auch so oft vor…

  4. UW schreibt:

    Euer „Ausbilder“ ist kein Einzelfall… 🙂 Und anstelle des Gummiballs kann man auch einen einfachen Lederhandschuh in oder unter den Türgriff stecken. Da hätte Euer Ausbilder sein tolles Bällchen stecken lassen können… (Es gibt natürlich noch weitere Methoden)

  5. Quark schreibt:

    Wie fanden denn deine Kollegen diesen Ausbilder? Finden die das in Ordnung, dass du angemault wirst, weil du versuchst mitzudenken?

    • firefox05c schreibt:

      Wie ich schon anklingen ließ, waren fast nur Kollegen anwesend, für die irgendwelche Nachfragen oder Erörterungen die unangenehme Pflichtübung „Fortbildung“ unnötig verlängern, bevor man Feierabend hat. Und die fanden es dann natürlich gut, dass ein Klugscheißer wie ich ruhig gestellt wird. Ging dann ja auch schneller…

  6. Brc_medic schreibt:

    Polizeischild? Nicht übel. Hier[TM] haben die meist – sofern ich das mitbekommen habe- kleine Bretter die so aussehen wie kurze Patienrutschen (Pat-Slide). Dahinter eine feste Decke und das war’s.

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