Die Sparwut und der Winter

Schneeflöckchen, Weißröckchen...

Alle stöhnen über Schneechaos,nie dagewesene Mengen von Schnee, das Zusammenbrechen des ÖPNV, die Wetter- Schlagzeilen werden immer dramatischer, die Medien warnen vor den immer schlimmer werdenden Wintereinbrüchen.

Die Wintereinbrüche werden schlimmer? Ist das so? Oder ist das Problem ein ganz anderes?

Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass ich als Kind zu Weihnachten auf dem Rückweg von der Kirche schon mal von meinem Onkel kopfüber in den am Straßenrand aufgeschobenen Schnee gestopft wurde. Die Haufen gingen mir bis an den Bauch. OK, ich war zwar damals kleiner- aber 50-70cm hoch waren die Haufen schon! Auch fuhren wir an Hängen mit den „Plastik- Bobs“ runter, die so tief mit Neuschnee verschneit waren, dass mit normalen Schlitten kaum Spaß aufkam. Und ich spreche jetzt nicht von dem „Katastrophen- Winter“ 1978/79. Also, Schnee gab es damals auch schon regelmäßig.

Ich habe exemplarisch mal eine Seite im Netz rausgesucht, auf der die Schneehöhe im Dezember 2001 grafisch dargestellt wird. Hier sind für den 14.12.2001 ganze -11° Frost im Pott angegeben (Temperaturkarte  auf Wetterzentrale.de) . Weiter unten sind dann die Schneehöhen vom 22. Dezember aufgezeichnet: 22cm im Ruhrgebiet! Wuaaaah! -Aber eben nicht mehr als in den folgenden Wintern auch!

letztes Jahr im Jänner

„Na und?“, werden die älteren Leser jetzt denken, „Das war doch nichts Besonderes! Also, früher hatten wir regelmäßig genauso viel Schnee!“ – Richtig. Und gab es damals ein Verkehrschaos wie heute? Wurde der ÖPNV komplett eingestellt? Sind die Bahnfahrpläne zusammengebrochen? Haben die Medien bei jedem Schneefall vom „Jahrhundert- Winter“ gesprochen und die Katastrophe herbeibeschworen? Soweit ich mich erinnern kann, nicht.

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Ich spreche jetzt nicht von den Gebieten, in denen z.B. hohe Schneeverwehungen echte Probleme bereiteten. Ich spreche hier vom Pott, in dem seit einigen Jahren bei 5cm Neuschnee schon alles brach liegt, so wie gestern Abend.

Kam ja auch total überraschend, die Wetterlage:

Um etwa 16.00 konnte ich im Niederschlagsradar sehen, dass sich nördlich des Ruhrgebietes eine Zone mit Niederschlag entwickelte, das in südliche Richtung zog. Bei Minusgraden war also Schnee zu erwarten. Folgerichtig kamen ein  paar Minuten Später über Twitter schon die ersten Meldungen von stärkeren Schneefällen.

Gegen 18.00 ging es dann auch hier los. Es stöberte nicht schlecht, als ich um 18.50 zur Bandprobe losfuhr, lagen etwa 5-7 cm Neuschnee. Aber die Autobahn war räumtechnisch noch nicht entjungfert worden. Entsprechend standen hier und da schon fremdländische LKW mit schlechten Reifen im Weg. Das Chaos begann, und für eine Strecke, die ich sonst in 25min schaffte, brauchte ich eine Stunde.

Der Chef des hiesigen Winterdienstes schaute wahrscheinlich um etwa 20.00 erschrocken aus dem Fenster: „Da fällt ja so‘ n Zeug vom Himmel!“

Um etwa 21.00 hörte der Schneefall auf. Gegen 21.30 fuhr ich die Strecke dann zurück, und siehe da: Erste Räumfahrzeuge waren auf der Autobahn unterwegs! Haleluja!!!

Aber Innerstädtisch ist selbst jetzt, 15 Stunden nach Beginn des Schneefalles, wo ich den Artikel schreibe, noch nicht einmal jeder Hauptstraße geräumt worden.

Wie war es denn früher? „FragMaOppa.de“: Da hatte es manchmal noch nicht einmal angefangen, zu schneien, und die ersten Fahrzeuge streuten schon mal „auf Vorrat“. An jeder 3. Kreuzung bretterte ein orangener Pökelpanzer vorbei, jeder Bauer, jede GaLaBau- Firma schnallte ein Räumschild vor und fuhr los. Die bekamen ja auch noch Geld dafür. Am Straßenrand türmten sich Schneeberge, die Fahrbahn aber war trocken.

Wieso also die Probleme mit dem Winter, die jedes Jahr schlimmer zu werden scheinen?

Laut  einer PDF von umwelt.nrw.de fallen heute nur etwa 1o-20% mehr Niederschlag im Winter als vor 100 Jahren. Das bedeutet bei Schneedecke von 20cm (1910)  jetzt 22,5cm. OMG! Wir werden sterben! Daran kann es also nicht liegen.

Meine Idee dagegen ist: Die Wirtschaftskriese.

Den kommunalen Winterdiensten stehen z.B. dieses Jahr etwa 5Mrd Euro zur Verfügung. 8-10Mrd werden aber gebraucht!  (Artikel leider nicht mehr verfügbar) So ist es eigentlich sonnenklar, dass im Winterdienst jedes Jahr mehr eingespart werden muss. Fahrzeuge werden ohne Ersatzbeschaffung ausgemustert, die verbleibenden werden schlechter gewartet (siehe auch die Bahn- Katastrophe in Berlin, z.B. mein Blog- Artikel zur Privatisierung!), Personal wird abgebaut, weniger Streugut gekauft.

Das wir uns hier nicht schon wieder falsch verstehen: Der verbleibende Winterdienst tut bestimmt, was er kann. Aber als Feuerwehrmann kann ich einen Wohnungsbrand auch nicht mit bloßen Händen erwürgen, da braucht es schon einen vernünftigen „Support“!

Und die Medien erzählen dann, ein Jahrhundertwinter hat uns im Griff- und es gäbe kein Salz!

Echt jetzt? Wie kommt es dann, dass ein einfacher Tankstellenpächter im letzten Winter das Geschäft seines Lebens machte, indem er einfach sattelschlepperweise Streusalz zum Verkauf feilbot? Hat er das selbst in seinem Salzstreuer abgebaut? Nö- Die Lösung ist einfach: Im Gegensatz zu den Kommunen, die ihr Streusalz teilweise erst im folgenden Sommer bezahlen möchten, um den Haushalt für das laufende Jahr zu schonen, bezahlte er beim Händler sofort. Also bekommt er Salz, soviel er nur möchte. Aus Rumänien. Aber weil nicht sein konnte, was nicht sein durfte, weil er damit die Kommunen vorführte, bekam der Pächter ordentlich Probleme mit den Behörden. Die versuchten ja schließlich krampfhaft, über die Medien die Mär des Streusalz- Mangels zu verbreiten!

Bei der Bahn kommen die Probleme wohl durch ähnliche Ursachen: Die Züge sind eben kaum noch „Outdoortauglich“, bei Temperaturen über 28 und unter -10 Grad fallen sie aus, Gerüchte von schlechten Weichenheizungen machen die Runde, und das die für den Osten gebaute Züge (die dann auch bei -30° fahren!) eine andere technische Ausrüstung für kalte Tage haben. Warum nicht hier? -Es sind nur wenige Tage im Jahr, die die Züge überfordern. Bahnreisende haben kaum eine Alternative, und „klimaunabhängige“ Ausstattung ist teuer. So what? Lass doch ausfallen, ist doch billiger und schont die Bilanzen für den Börsengang!

Die Schneetage sollen lt. der oben genannten PDF von umwelt.nrw.de  allerdings in den nächsten 30-60 Jahren seltener werden. Vielleicht bereiten die Kommunen sich ja schon mal zukunftsorientiert darauf vor, damit sie nicht plötzlich vor dem Problem stehen, zu viele Räumfahrzeuge zu haben!

Über firefox05c

Firefighter, Kittyowner, Bagpipeplayer. Querulant. Manchmal bissig, aber im Großen und Ganzen handzahm. Die Themen hier: Feuerwehr - Rettungsdienst - Alltag .
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8 Antworten zu Die Sparwut und der Winter

  1. journalportrait schreibt:

    Schöner Artikel.

    Nichtsdetsotrotz brauchen die Medien einfach nur einen Aufhänger. Genauso, jeder Sommer ist immer der heißeste und schlimmste seit 1000 Jahren. Dieses Jahr hat eine Moderatorin Wort wörtlich gesagt: „Bei diesem Wetter müssen Sie unbedingt Flüssigkeit trinken, so heiß ist es.“
    Man darf sich nicht alles von den Median kaputtreden lassen. Einfach mal den Schnee genießen.

  2. Patrick schreibt:

    Jetzt waren die Straßen den ganzen Frühling, Sommer und Herbst perfekt geräumt und absolut nicht glatt. Nach zwei etwas schlechteren Wochen regen sich schon wieder alle über den armen Winterdienst auf, der doch absolut nichts dafür kann das ihm jetzt das Streusalz ausgeht!

  3. rettungsdienstblog schreibt:

    Das mit dem Tankstellenbetreiber ist echt die Höhe, Behördenirrsinn…

    Und zum Thema Zahlungsmoral: Rede mal mit einem 08/15-Handwerker. Die werden mit hoher Wahrscheinlichkeit sagen, dass sie NIE mehr für eine Stadt arbeiten. Denn da ist die Zahlungsmoral extrem mies…Bezahlungen erst sehr spät und nach tlws. Jahren.

  4. NK schreibt:

    Dem ist nichts hinzuzufügen.

  5. Lexy schreibt:

    Klasse Artikel, du schreibst mir aus der Seele!!!
    Aber was man noch hinzufügen muss, ist das „just-in-time“ denken von uns.
    Wenn wir nicht pünktlich zur Arbeit o.ä. kommen meckern wir sofort. Früher war man da einfach relaxter und hat die weiße Pracht genoßen.

    Auch sind wir total Abhängig von der Infrastruktur geworden. Lass es doch einmal so schneien, dass einen Tag gar nix mehr geht auf den Straßen und den Schienen.
    Da wird die Hölle los sein.

    • firefox05c schreibt:

      „Früher“ hat man sich den Wecker auch eine halbe Stunde früher gestellt, wenn es am Vorabend schon geschneit hat. Und ein oder zwei Bahnen ehr genommen. Heute kommt man zur gewohnten Zeit aus dem Haus, und ärgert sich, dass man erst mal 15min das Auto frei machen muss. Und kommt zu spät.

      • Lexy schreibt:

        Richtig 😉
        Dann hat man auch sein Auto nicht ordentlich gewartet und die Batterie ist verreckt. Also muss man erstmal auf den ADAC warten, der aber noch zig tausend andere Deppen zu dem Zeitpunkt hat.
        Und wer ist Schuld? Der pöse Winter

      • Wolfram schreibt:

        Oder man erinnert sich an seine BW-Zeit bei den Panzern und macht nur einen Sehschlitz frei, das geht dann schneller… aber während man den freimacht, läuft schon mal der Motor und das Gebläse auf Stufe 5…

        Die Krönung, die ich vor etwa 10 Jahren im Märkischen Kreis beobachtet habe: auf öffentlichen Straßen waren Fahrzeuge von Privatunternehmern unterwegs, um zu räumen; es waren viel zu wenige, und das Chaos war heftig (Berge, Busse, vereiste Straßen…). Aber auf dem Parkplatz eines Supermarktes konnte man einen 16Tonner des städtischen Fuhrparks beobachten, der dort nach Geschäftsschluß (!) den lukrativen Auftrag des Schneeräumens erfüllte…

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